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Stolperstein

BKG 1901er & Förderverein Historisches Bornheim verlegen gemeinsam einen Stolperstein für Paul Wertheim

Am Freitag, 21.Juni 2013, verlegten die 01er gemeinsam mit Bernhard Ochs einen Stolperstein in Gedenken an Paul Wertheim in der Arnsburger Strasse 1

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Mit diesen Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die im Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Die Stolpersteine sind kubische Betonsteine mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern, auf deren Oberseite sich eine individuell beschriftete Messingplatte befindet.

Sie werden in der Regel vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in das Pflaster des Gehweges eingelassen.

Unser Vorgängerverein wurde 1891 als Carnevalgesellschaft „Wau-Wau“ gegründet. Pate stand der beliebte Bornheimer Tierarzt Dr. Dietz. Die närrischen „Wau-Wau“ Minister trugen statt die allgemein übliche Schellenkappe künstlerisch gestaltete Hundeköpfe. Das prominenteste „Wau-Wau“-Mitglied, Paul Wertheim (Nähmaschinen-Wertheim) ließ sich 1897 die Würde eines Karnevalsprinzen 40 000 Goldmark (!) kosten.

Paul Wertheim war wohl der erste Karnevalsprinz Bornheims. Entweder 1891 oder 1897 (leider liegen hier keine Unterlagen vor) war seine Regentschaft über die Narren im Lustigen Dorf. Er brachte dafür beachtliche finanzielle Opfer, unterhielt die 50 Mann starke Prinzengarde während der Fastnachtszeit vollständig und stellte seinen prächtig dekorierten Wagen ebenfalls aus eigenen Mitteln her.

Thomas Schade, Fritz & Doris Kaiser sowie Peter Scholz waren von den 01er dabei.

Die Wertheims –
Ein Stück deutscher Industriegeschichte

 

Joseph Wertheim: Nähmaschinenfabrikant und Mäzen

Joseph Wertheim, der Vater von Paul, wurde 1834 in Rotenburg an der Fulda in einer jüdischen Familie geboren. Nach einer Mechanikerlehre wanderte er als 20-Jähriger in die USA aus und arbeitete in der Nähmaschinenfabrik Wheeler & Wilson.

1862 kam er nach Frankfurt und eröffnete eine Niederlassung auf der Zeil. Sechs Jahre später eröffnete er seine eigene Fabrik in der Bornheimer Burgstraße. Hier waren bis zu 650 Arbeiter und Angestellte beschäftigt. In Bonames wurde eine neue Eisengießerei eröffnet, da es in Bornheim zu eng wurde. Sie zählte zu den modernsten Produktionsstätten für Gusseisen in Europa. Seine Nähmaschinen eroberten von Bornheim aus den südamerikanischen und australischen Markt. Als Firmenlogo wählte er den Zwerg mit Hammer.
1873 baute er auf dem Eckareal Arnsburger Straße / Habsburgerallee (heute: Café Wiens) sein Wohnhaus.

Niederlassung in Barcelona
1870 gründete Joseph in Barcelona eine Zweigniederlassung, die 1920 in die Firma Rapida umgewandelt und 1943 von Olivetti übernommen wurde. In Spanien produzierte man bis 1975 Nähmaschinen unter dem Namen Wertheim.

Stadtverordneter und Mäzen
Joseph Wertheim engagierte sich auch sozial und in der Kommunalpolitik. Er war einer der ersten Bornheimer, der nach der Eingemeindung in den Frankfurter Römer einzog. Dort war er mit Unterbrechungen von 1877 bis 1890 Stadtverordneter. Als Mäzen unterstützte er den „Verein für Genesungsanstalten“, der im Taunus ein Alters- und Genesungsheim betrieb und war Mitbegründer und Förderer der „Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen“; die in die ABG Frankfurt Holding aufgegangen ist. Den Bornheimern stiftete er im alten Burgblock gegenüber seiner Fabrik ein „Vereinshaus mit Arbeiterbibliothek“.

Tod in Nizza:
1899 starb Joseph Wertheim während eines Kuraufenthaltes in Nizza. Er  hin­terließ zehn Kinder, darunter Paul, dem mit seinen Brüdern die Führung der Firma Söhnen übertragen wurde.

Firmenverlagerung nach Spanien
Schon 1932 erkannten die Wertheims die aufkommende Gefahr durch die Nazis und verlagerten die Produktion nach Spanien. Dort war Karl Wertheim, der sich nun Carlos Vallin nannte,bis 1945 Geschäftsführer. 1936 wurde das Fabrikgebäude in Bornheim abgerissen. Auf ihn errichteten die Nazis Wohnhäuser in die bevorzugt „verdiente Parteigenossen“ einzogen.

Louis Wertheim: Asbestfabrik an der Berger Straße
Auch Joseph Wertheims jüngerer Bruder Louis (Jahrgang 1838) suchte in Bornheim sein Glück. Er gründete in der Berger Straße eine Asbestwarenfabrik, die eine ähnliche Bedeutung für Frankfurt erlangte wie die Nähmaschinenfabrik seines Bruders.

1874 produzierte er anfangs Stopfbüchsen aus Baumwolle, später aus Asbestgewebe. Der Gewerbetrieb entwickelte sich schnell zu einem Industrieunternehmen, das in der Asbest-produktion eine europäische Führungsrolle einnahm. Auch Louis wurde es in Bornheim zu eng. So errichtete er ein Zweigwerk in Niederrad. Zusammen mit dem Stammwerk Bornheim beschäftigte er 300 Arbeiter in seinen Asbestwerken, die ab 1898 als „Frankfurter Asbestwerke KG“ firmierten. Seine Nachfahren wurden von den Nazis gezwungen ihren Betrieb an „arische“ Eigentümer zu verkaufen.

Hugo Wertheim: Wohlstand und Ruhm in Australien
Hugo Wertheim, Jahrgang 1854, ein Cousin von Paul heiratete seine Schwester Sophie, ehe die beiden 1875 nach Australien auswanderten. Hugo brachte es in seiner Wahlheimat Australien zu Wohlstand und Ehren. In Melbourne begann er als Generalagent  für die Nähmaschinen seines Schwiegervaters und eröffnete im Vorort Richmond ein Kaufhaus, das sich zusätzlich auf Klaviere spezialisierte. 1908 gründete er dann eine eigene Klavierfabrik. Eine Straße in Melborne wurde sogar nach ihm benannt. Hugo und Sophie Wertheim hatten fünf Kinder. Ihr Sohn Rupert Carl (1893-1933) spielte Tennis in der australischen Daviscupmannschaft und ihr Urenkel Jeff Kennett, Jahrgang 1948, machte eine politische Karriere bis zum Premierminister des Bundesstaates Victoria.

Gegen das Vergessen
Teile der Familie Wertheim wurden Opfer des Holocaust wie Paul Wertheim (geb. 13. Juni 1867), ein Sohn Joseph Wertheims. Er war verheiratet mit Anna Wertheim, geb. Höhne. Paul  war in der Geschäftsführung der Nähmaschinenfabrik und engagierte sich auch sozial sowie in der Vereinswelt, besonders im Karneval u. a., als erster  Bornheimer Karnevalsprinz bei der„Bornheimer Karneval Gesellschaft 1901“, die aus dem Bornheimer Karnevalverein Wau-Wau hervorgingen.

Doch er erkannte zu spät die aufkommende Gefahr, wie viele die im I. Weltkrieg als deutsche Soldaten gedient hatten und glaubten, dass man sie nicht antastete. Doch selbst Soldatenehre war den Naziverbrechern unbekannt. Als Paul erfuhr, dass er abtransportiert werden sollte erschoss er sich am 4. Juli 1938 im Ostpark um dem Holocaust zu entgehen.

Die Nazis versuchten vergeblich den Namen Wertheim aus dem Gedächtnis zu löschen. So entfernten sie im alten Burgblock die Steintafel mit der Aufschrift: „Jos. Wertheim`sches Vereinshaus“. Der Bürgerverein und Förderkreis historisches Bornheim setzte sich dafür ein, dass 2007 in Anwesenheit von Wertheim-Nachfahren, aus Australien und Spanien, wieder die alte Steintafel feierlich angebracht wurde und das Andenken an eine großartige Unternehmer- und Stifterfamilie bewahrt bleibt.

Stolperstein:
Am 21. Juni 2013 wurde vor dem ehemaligen Wohnhaus der Wertheims in der Arnsburger Straße 1 ein Stolperstein für Paul Wertheim verlegt. Pate hierfür war Bernhard E. Ochs, Stadtverordneter und Vorsitzender des Bürgerverein und Förderkreis historisches Bornheim. Bei der kleinen Gedenkfeier waren auch zahlreiche Mitglieder der „Bornheimer Karneval Gesellschaft 1901“ mit ihrer Standarte zu Ehren ihres ehemaligen Mitgliedes und Karnevalsprinzen Paul Wertheim dabei.

Der Stolperstein wird verlegt
Stolperstein vor dem Wohnhaus Paul Wertheims

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(c) by Bernhard Ochs & BKG 1901er

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